zooschweiz - Verein wissenschaftlich geleiteter zoologischer Gärten der Schweiz
zoosuisse - Association des parcs zoologiques suisses gérés de façon scientifique

Walter Zoo: 409 Igel im Jahr 2021 gepflegt

Verletzte und kranke Igel brauchen in Siedlungsgebieten die Unterstützung der Menschen. Immer mehr besorgte Bürger und Naturfreunde nehmen sich den verletzten und kranken Igeln an und melden sich bei Experten, um ihre Findlinge zu versorgen. Die Igelpflegestation im Walter Zoo in Gossau hat alle Hände voll zu tun: im Jahr 2021 wurden 409 Igel aufgenommen und über 1’000 Beratungsgespräche geführt. Das ist ein Jahresrückblick aus der Station.

Zu Beginn des Jahres 2021 befanden sich fast ausschliesslich schlafende Igel in der Obhut der Igelpflegestation im Walter Zoo in Gossau. Im Herbst 2020 wurden zu diesem Zweck spezielle Winterschlafbehausungen errichtet. Diese Behausungen bestehen aus grossen überdachten Kisten, die nach oben durch Gitter verschlossen sind und jeweils in zwei Abteile aufgeteilt sind. In den zwanzig Winterschlafplätzen stehen den Igeln eine grosse Menge Stroh und Häuschen zur Verfügung, in welchen sie sich ein Nest für den Winterschlaf bauen können. Anfangs werden die Tiere täglich gefüttert. Nach einigen Tagen, wenn die Igel schlafen und auch nachts nicht mehr erwachen, erhalten sie nur noch eine Schale mit frischem Wasser. Jeden Morgen werden alle Häuschen kontrolliert und es wird protokolliert, welche Igel nachts wach waren und welche durchschliefen. Dies wird mit einem feinem Zellstoff-Papier am Eingang des Häuschens kontrolliert: Ist das Papier zerrissen, war der Igel unterwegs. Igel, die einige Nächte nacheinander wach waren, werden kontrolliert (Gewicht und Gesundheitszustand) und allenfalls gefüttert, bis sie wieder schlafen gehen. Nur ein Igel ist nicht mehr aus dem Winterschlaf erwacht, alle anderen (22 Tiere) sind gegen Ende April gesund und munter erwacht und wurden kurz darauf ausgewildert.

Viele Igel werden sehr geschwächt abgegeben

Im Jahr 2021 wurden insgesamt 409 Igel aufgenommen. Davon waren 8% neugeborene, 44% junge (juvenil), 18% fast erwachsene (subadult) und 30% erwachsene Igel (adult). Leider sind viele Tiere sehr schwach oder schwer verletzt, weshalb sie trotz Behandlung kurz nach der Ankunft versterben oder von ihren Leiden erlöst werden müssen. Von den Igeln, welche die ersten 24 Stunden überlebten, konnten 70% ausgewildert werden. Knapp 12% mussten aufgrund fehlender Therapieerfolge oder Verschlechterung des Zustandes erlöst werden und 10% verstarben von selbst. Ein paar Tiere (7%) verbringen ihren Winterschlaf im Walter Zoo.

Im ersten Quartal 2021 wurden nur wenige Igel eingeliefert, einige davon wurden aus dem Winterschlaf gerissen. Dies kann passieren, wenn Hunde oder andere Raubtiere einen schlafenden Igel aufspüren und aus seinem Nest holen oder das Nest zerstören. Manchmal werden Igel bei Bau- und Aufräumarbeiten in Dämmungen oder anderen Materialien gefunden, die sich dort – geschützt vor der Kälte – einquartiert haben. Ab Mitte April stieg die Zahl der eingelieferten Igelpatienten deutlich an. Mit den wärmeren Temperaturen endete auch die Zeit der Winterruhe und die Igel waren wieder unterwegs, um Futter zu suchen. Während des Winterschlafes verlieren Igel bis zu einem Drittel ihres Körpergewichtes. Das ist schon für gesunde Igel enorm, doch wenn ein Tier bereits vor dem Winterschlaf geschwächt war, dann kann es nach dem Aufwachen eher zu gesundheitlichen Problemen kommen. Viele Igel, die im Frühjahr an die Igelpflegestation abgegeben werden, sind sehr dünn und zusätzlich durch Krankheiten geschwächt.

Abgemagert und von Parasiten befallen

58% der abgegebenen Igel befanden sich in einem schlechten bis sehr schlechten Allgemeinzustand und 65% waren abgemagert. Knapp 76% aller Tiere hatten diverse äussere Parasiten, wie Zecken, Flöhe und Milben. 25% waren so geschwächt, dass Fliegen ihre Eier auf dem Tier ablegen konnten und oft auch schon Maden geschlüpft waren. Ein weiterer Viertel der Wildtiere wurde mit einer offenen Wunde eingeliefert und etwa 12% mit einem Knochenbruch. Das häufigste Problem ausgewachsener Igel ist starker Parasitenbefall. Vor allem Lungen- und Darmwürmer können bei geschwächten Tieren Lungenentzündungen und Durchfall bis hin zu Abmagerung verursachen. In fortgeschrittenen Fällen sind die Aussichten auf Gesundung leider sehr schlecht. Viele Tiere werden hochgradig abgemagert abgegeben und oftmals funktionieren die Organe nicht mehr richtig. Diese Igel machen zusammen mit den stark verletzten Igeln den Hauptanteil der Tiere aus, die die ersten 24 Stunden nicht überleben. Von jenen Igeln, die die ersten 24 Stunden überstehen, wird immer noch bei 46% in der ersten Kotuntersuchung ein mittel- bis hochgradiger Befall mit Würmern (Lungen- und/oder Darmwürmer) festgestellt.

Ernährung von Igelbabys

Im Juni ist Igelbaby-Saison und gleichzeitig wird die Hauptsaison auf der Igelpflegestation eingeleitet. Über den gesamten Sommer wurden viele verwaiste und geschwächte Jungigel in die Station gebracht. Viele davon waren noch auf Milch angewiesen oder gerade in der Phase der Umstellung auf festes Futter. Neugeborene Igel haben ohne die Milch ihrer Mutter keine Überlebenschance. Wenn sie älter als zwei Wochen sind, vertragen sie allmählich eine Ersatzmilch aus Katzenmilch und Fencheltee. Nach einigen Tagen beginnt die langsame Umstellung auf festere Nahrung. Die Milch wird zuerst in kleinen Schalen angeboten, damit die Igel lernen, selbstständig zu fressen. Danach wird immer mehr breiiges Katzenfutter für Welpen in die Milch gemischt, bis die Igel mit ca. 200 Gramm und etwa sechs Wochen nur noch Katzenwelpenfutter fressen. Wenn sie dies zuverlässig fressen, wird auf festes Futter umgestellt.

Ein Patient bleibt rund 20 Tage auf der Station

Während der Hauptsaison waren oftmals alle Plätze mit Igeln belegt und es konnten nur noch dringende medizinische Notfälle angenommen werden. Ein Igel bleibt im Durchschnitt 20 Tage in der Pflegestation, bis er wieder gesund und bereit zur Auswilderung ist. Dabei liegt die Aufenthaltsdauer der erwachsenen Igel mit knapp zwei Wochen deutlich unter der Dauer der Jungtiere, die zwischen drei und vier Wochen auf der Station verbringen.

Medizinische Unterstützung und ein Freiwilligen-Team

An 365 Tagen im Jahr und zwar täglich von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 13.30 bis 17.00 Uhr sind die Mitarbeitenden der Igelpflegestation auch telefonisch erreichbar und beantworten Fragen. Viele Anrufer möchten wissen, was sie für Igel tun können und was sie unbedingt beachten sollten, wenn sie beispielsweise einen Igel im eigenen Garten entdecken. Die über 1’000 telefonischen Beratungen im Jahr 2021 nahmen einen grossen und wichtigen Teil der Arbeit auf der Igelpflegestation ein. Ohne die Unterstützung der motivierten, freiwilligen Helferinnen und Helfer wäre die ordnungsgemässe Versorgung und Behandlung der Igel nicht möglich gewesen. Zum Glück kann der Walter Zoo auf ein grosses Freiwilligen-Team zurückgreifen.

Gegen Ende des Jahres wurde es ruhiger auf der Station. Es begann die nächste Winterschlafphase, in der die Igel nach und nach in die Winterbehausungen überführt wurden, um dort die nächsten Wochen oder Monate zu verbringen.