zooschweiz - Verein wissenschaftlich geleiteter zoologischer Gärten der Schweiz
zoosuisse - Association des parcs zoologiques suisses gérés de façon scientifique
Dramatischer Stromschlag in Salzburg: Mittelspannungsmasten als tödliche Gefahr für Grossvögel
Rund 40 junge Waldrappe sind dieses Jahr bereits in den vier Brutkolonien flügge geworden. Der Verein zooschweiz/zoosuisse unterstützt das Projekt mit erheblichen finanziellen Mitteln und stellt Jungvögel für die Wiederansiedlung zur Verfügung.
Während Hochspannungsmasten sichere Ruheplätze für Waldrappe und viele andere Vogelarten darstellen, können die viel häufigeren Mittelspannungsmasten konstruktionsbedingt zu Todesfallen werden. Zu Stromschlägen kommt es, wenn die Vögel entweder mit ihren Flügeln oder Schnäbeln gleichzeitig zwei Leitungen berühren oder sie eine Verbindung zwischen einem Leiter und dem geerdeten Mast herstellen. Aufgrund eines umfangreichen Monitorings sind die Waldrappe zu einer Zeigerart für die Bedrohung durch Stromschlag geworden. Im Zeitraum des ersten LIFE+ Projektes (2014-2019) waren 45 Prozent der Todesfälle durch Stromschlag verursacht.
Nun ist es in Salzburg zu weiteren Stromschlagfällen gekommen. Am 19. Juli starb ein Jungvogel auf einem sogenannten Abspannmasten. Wenige Tage später, am 25. Juli, kam es nur 80 Meter entfernt zu einem besonders dramatischen Vorfall. Ein Jungvogel starb auf einem Masten, blieb dort liegen und begann zu brennen. Ein weiterer Vogel wurde unter dem gleichen Masten gefunden. Er hat den Stromschlag überlebt, zeigt aber erhebliche motorische Störungen und kann nicht mehr koordiniert fliegen. Das Waldrappteam hat ihn daher vorerst in Pflege genommen und wir hoffen, dass er rasch sein Flugvermögen wiedererlangt. Es handelt sich um Salem, mit elf Jahren einer unserer ältesten und erfahrensten Vögel.
Waldrappe sind durch ihre Grösse und ihre Vorliebe für exponierte Rastplätze stromschlaggefährdet. Sie sind damit aber keine Ausnahme, auch viele andere grosse Vogelarten wie Uhus, Milane, Bussarde oder Störche sind betroffen. So wurde von unserem Team der Tod eines seltenen Schwarzstorchs auf einem Masten nur 800 Meter vom aktuellen Unfallort entfernt dokumentiert. Diese flächendeckende, tödliche Gefahr für Grossvögel lässt sich durch technische Massnahmen gut vermeiden, indem Masten durch Abdeckhauben oder Isolierung der Leitungen gesichert werden. In Deutschland zeigt sich, wie wirksam diese Massnahmen sind. Dort wurden in den letzten Jahren die Masten auf der Basis einer gesetzlichen Regelung von den Stromnetzbetreibern flächendeckend durch die Stromnetzbetreiber gesichert. Seither wurden in Deutschland keine Verluste durch Stromschlag mehr bei Waldrappen dokumentiert, obwohl sich die Vögel dort häufig aufhalten. In Österreich arbeitet das Waldrappteam inzwischen eng mit den Stromnetzbetreibern in den drei Bundesländern Salzburger Land, Kärnten und Oberösterreich zusammen, da sich hier saisonal viele Waldrappe in den Brutkolonien aufhalten. Einige regionale Sicherungsmassnahmen konnten bereits umgesetzt werden, weitere sind geplant. Letztlich wird eine für den Artenschutz zufriedenstellende Lösung aber nur durch eine flächendeckende Nachsicherung erfolgen können, wie sie auch in Deutschland umgesetzt wurde. Dafür sind insbesondere die politischen Entscheidungsträger gefordert, um die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Der aktuelle Fall des brennenden Jungvogels am Strommast weist noch auf eine weitere Gefahr im Zusammenhang mit der aktuellen Dürre in vielen Regionen Europas hin: Es gibt zunehmend Belege dafür, dass herabfallende Stromtodopfer Brände verursachen. Durch den fortschreitenden Klimawandel und die einhergehende Trockenheit erhöht sich dieses Risiko stetig und bildet einen weiteren Anlass für eine rasche und umfassende Lösung.